"Also angefangen hatte alles vor den Osterferien. Bei uns
beiden gleichermaßen. Ich war damals stark übergewichtig, sie
hatte eine normale schöne Figur gehabt. Ich hatte da beschlossen,
abzunehmen, weil ich mir einfach nicht mehr gefallen hab, und
sie fand es gut.
Ich machte eigentlich eine ganz normale Diät, eigentlich wie viele
andere in meinem Alter auch. Bis zu den Sommerferien lief eigentlich
alles ganz prima, die Kilos verschwanden, und ich kam meinem Idealgewicht
immer näher. Meine Freundin ermutigte mich, nicht aufzugeben,
ich habe es ja nun bald geschafft. Damals fingen bei ihr zu Hause
ebenfalls die Probleme an - ihre Elten, die gerade erst das neue
Haus bezogen hatten, lebten sich immer mehr auseinander, und letztenendes
war es immer sie, die alles abbekam. Da meine Eltern sich auch
getrennt hatten (vor 2 Jahren schon) wuchsen wir immer mehr zusammen,
und fanden immer mehr Vetrauen zueineinander, und auch unsere
Vorliebe für Sport (Reiten/ Schwimmen) verband uns, und wir haben
viel Zeit mit langen Ausritten verbracht.
Ich war am Ende der Sommerferien bei meinem Idealgewicht angekommen,
und nahm derweil wieder ein bißchen zu. Mein Eßverhalten hatte
sich stark verändert, weil auch ich Probleme hatte, mit meiner
Mutter. Ich kam mit ihr nicht klar, und meine Geschwister fehlten
mir (2 Brüder beide älter), die lebten ja bei meinem Vater. Ich
aß sehr wenig. Mein Kreislauf ging auf und ab. Die Eltern meiner
Freundin trennten sich auch, und kurz vor den Herbstferien zog
ihr Vater aus. Ihre Situation zu Hause wurde unerträglich, sie
war für alles verantworlich. Ihr schlug der ganze Frust einfach
auf den Magen (so dachte ich) und so nahm ich an, es würde sich
wieder ändern.
Ich war derzeit noch immer am abnehmen. Sie wurde zusehens dünner,
aber es fiel nur mir auf, sie trug immer 2-3 Pullover übereinander,
und nur vor mir zeigte sie sich ab und zu im engeren Top. Ich
sprach sie darauf an, und sie gestand mir, arge Probleme zu haben,
mit dem Essen, mit ihrer Mutter. Ich habe mir nicht viel dabei
denken wollen, ich fand mein Eßverhalten ja auch normal. Aber
irgendwo machte ich mir schon Sorgen. Ich kannte das ja, wußte
was Magersucht ist, aber das meine Freundin das haben sollte?
Nein, das konnte einfach nicht sein.... Sie war ein Teil von mir
selbst geworden, und sie durfte einfach nicht krank sein, und
vor allem: In Gesellschaft aß sie normal.
Wir haben dann lange Zeit nicht darüber gesprochen. Bis dann die
Zeit kam, wo wir öfter in Fast-Food Restaurants gingen. Sie aß
normal, aber lief danach auf die Toilette und erbrach sich. Ich
hab sie 2 - 3 mal dabei "erwischt". Ich dachte mir nichts dabei,
sagte ihr, sie solle aufpassen, und sie schaute mich nur an. Da
war das Thema vorbei, fürs erste, und ich machte mir schon Gedanken,
hab sie aber immer wieder fortgeschoben - denn dann hätte ich
auch zugeben müssen, eine Eßstörung zu haben.
Tja, und dann passierte es:
Wir waren in einer Hütte, wollten ein Wochenende ausspannen und
ein wenig das Jahr vorbeigehen lassen. Meine Freundin ein paar
Freunde, und ich. Es war Samstag morgen, und die Nacht war recht
kurz gewesen, wir hatten gefrühstückt und irgendwie wollte ich
mich bewegen, und fragte sie, ob wir nicht joggen gehen wollen.
Dies taten wir öfter gemeinsam und ich dachte mir nichts dabei.
Wir zwei sind dann los, kamen früh wieder (nach 30 Minuten) und
fingen mit dem Mittagessen kochen an (die anderen waren auf einer
kleinen Wanderung). Wir hatten das Essen fertig, die anderen kamen,
und wir aßen gemeinsam.
Wir beschlossen, Mittagsschlaf zu halten, und als wir von oben
runterkamen, lag sie da.... Leblos und irgendwie komisch (ich
möchte darauf nicht näher eingehen).
Insgesamt ist sie 5 mal bewusstlos geworden, ehe wir im Krankenhaus
ankamen. Im auto saß ich neben ihr, sie in meinen Armen. Ich hatte
das Gefühl, als sei ein Teil von mir gestorben. Langsam aber sicher
fing dass Puzzle an, ein Gesamtbild zu geben, und als die Ärztin
fragte, wie es bei ihr mit dem Essen stünde, und sie ihr sagte,
es sei normal, da war ich so wütend auf sie! Ich hab geflucht,
und mein Bruder (der an diesem Wochenende mit dabei war) fragte
mich, was denn los sei. Ich war am Ende, und erzählte ihm,was
mit meiner Freundin war, und er sagte mir, ich solle es der Ärztin
sagen.
Ich war sauer auf meine Freundin, ich war so sauer auf mich, dass
ich nie etwas gesagt habe, und dass es soweit kommen musste, dass
ihr Herz schlapp gemacht hat! Ich habe recht lange mit mir gerungen,
aber der Ärztin bescheid gegeben.
Meine Freundin weiß davon nichts, denn ich möchte sie auf keinen
Fall verlieren! Ich bin irgendwo froh, das dieses Versteckspiel
ein Ende hat, und ihr nun endlich geholfen wird...
Und ich mache mir immer noch Vorwürfe, ihr nicht früher geholfen
zu haben..."
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